Die Jahrestagung der ArgeAss 2025
Wann ist ein Mann ein Mann? – Nachbericht zur Jahrestagung der ArgeAss 2025
Was unterscheidet Männlichkeit von Mann-Sein? Wie entstehen queere Konzepte bzw. wo gibt die Bibel Raum für die Hinterfragung klassischer Stereotype wie den starken Mann oder die unterwürfige Hausfrau? Diesen und anderen Fragen widmete sich die heurige Jahrestagung. Neben klassischen Vorträgen gab es heuer auch die Formate Film-Workshop, Buchpräsentation und offene Diskussion; Verbindungen zu pastoraler Praxis waren wie jedes Jahr ein wichtiger Bestandteil der Begegnung und Diskussion.
Im Hintergrund vieler Beiträge standen Einsichten feministischer Bibelauslegung und das Konzept „hegemonialer Männlichkeit“, das seit den 1990ern in der Kritischen Männerforschung zur Anwendung kommt und im Blick auf Strukturen und Mechanismen angewendet werden kann.
So orientierten sich bereits die Rabbinen der ersten Jahrhunderte an einer Unterscheidung von zwei sozialen Geschlechtern, die sich aber in insgesamt in sechs biologische Geschlechter differenzieren ließen. Dieses ungewöhnliche Verhältnis erlaubt eine Mehrzahl von Geschlechtsidentitäten und sozialen Orientierungen. Zwei Vorträge bezogen sich auf Eunuchen im Ester- und Danielbuch, bei denen die Stellung dieses Sonderfalls an Mann-Sein in patriarchalen Machtgefügen vergleichend untersucht wurden.
Ein weiterer Aspekt ist das non-konforme Verhalten, d.h. das nicht-Erfüllen von Geschlechterrollen, welches in der Bibel, die ja auch eine Geschichte der Verlierer bzw. der Ohnmächtigen ist, immer wieder thematisiert wird, zuerst bei Adam und nicht zuletzt in der Gestalt des gedemütigten und gekreuzigten Jesus. Der markinische Jesus bzw. das Evangelium insgesamt wurde gleich mehrfach auf dieser Tagung zum Ausgangspunkt wichtiger Beobachtungen und Diskussionen. Doch auch starke Mannsbilder, wie sie uns in den Psalmen oder Ezechiel begegnen können, erfahren durch geschickten Einsatz von Metaphern manches Mal einen weiblichen Anstrich oder eine andere Form der Überschreitung von sozial erwarteten Geschlechtergrenzen, sodass die Bibel zum Lernbuch werden kann, was die eigene Toleranz und Begrenztheit angeht.
Aktivität, Sichtbarkeit und Stärke spielen bei der Konstruktion von biblischen Männerfiguren eine ähnlich große Rolle wie die Ermächtigung durch den Umgang mit Unreinheit oder provokativer Rede für emanzipatorische Lesarten biblischer Frauengestalten. Auch im Bereich der Intersektionalität, also der Verbindung mehrerer diskriminierender Faktoren, konnten spannende Beobachtungen gemacht werden. So erfanden judenfeindliche Autoren „den after-menstruierenden Juden“ oder reaktionäre Kräfte schafften Verbindungen zwischen Antifeminismus und Judenhass, die es sogar bis in arrivierte Medizinbücher der frühen Neuzeit oder die rassistische Eugenik des 19.Jh.s schafften.
Es gibt viele Aspekte, die im Zusammenleben von Menschen und im Umgang mit der Bibel weiterhin gewonnen werden können und die Forschung noch weiter beschäftigen werden. So etwa die Frage, wie Männer miteinander umgehen (können), wie Lebensformen jenseits von Machtspielen gelingen können und wie patriarchale Formen so aufgebrochen, transformiert und überwunden werden können, dass Männlichkeitskonzepte aufhören einen Kampf zu sein, den jede Person auf ihre Weise verliert.
Benedikt J. Collinet (Passau)