Judas zu Gast in Pfarrkichen
"Judas" kommt in der diesjährigen Fastenzeit als Gast in die Pfarrkirchen Ostösterreichs. Mit ihrem Theaterstück "Judas - Theatermonolog eines Freundes" thematisiert die niederländische Autorin Lot Vekemans vorschnelle Verurteilungen und die zunehmende Schubladisierung in Menschen und Untermenschen. In diesem Monolog wird klar: Der in der kirchlichen Tradition als Verräter schlechthin geltende Judas will gehört, vielleicht sogar verstanden werden, berichtete die burgenländische Kirchenzeitung "martinus" in ihrer aktuellen Ausgabe. Das Stück wird im März und April in Pfarren und auch Bildungshäusern der Diözesen Wien, Eisenstadt und St. Pölten aufgeführt.
Im Theatermonolog lässt Vekemans Judas ausführlich zu Wort kommen. Der in Wien lebende Schauspieler Sebastian Klein mimt die Rolle des Apostels, der eine überraschende Version seiner Lebensfreundschaft zu Jesus von Nazareth erzählt. Die Autorin hofft, dass die Zuschauer danach über beide mehr wissen, "wo-möglich auch über sich selbst und ihre eigenen Trugbilder", wird sie im "martinus" zitiert. "Ich wollte nie sagen, dass Judas den Verrat nicht begangen hat. Deswegen habe ich mich gefragt: Warum hat er das gemacht?"
Der Schreibprozess sei für Vekemans zum Verstehensprozess geworden, wie sie erzählte. Die Autorin begegnete in Holland einem Priester, der ein wissenschaftliches Buch darüber geschrieben hatte, wie sich das Bild von Judas in 2000 Jahren verändert hat. Sie habe die Geschichte interpretiert, weil sie nicht glaube, "dass es seine Absicht war, dass Jesus getötet wurde". Zudem zog sie Parallelen in die Gegenwart. "Es scheint, als ob wir etwas brauchen, um die Welt einzuteilen: Hier sind die Menschen, dort die Unmenschen. Für diese haben wir viele Wörter: Schweine, Ziegen, Ratten ..., eben alles, was kein Mensch ist." Dieses "Entmenschlichen" sei wieder zu beobachten: "Wir ziehen in Europa jeden Tag die Barriere zwischen den Menschen und den Unmenschen. Und das ist eigentlich das, was Judas am Ende versucht: wieder vom Unmenschen zum Menschen zu werden."
Die Inszenierung wird vor allem in Kirchen aufgeführt. Gotteshäuser entpuppten sich als spannungsgeladene Orte: Zwischen den allgegenwärtigen Aposteln und Heiligen nehme Judas Platz, in Sichtweite zum Altar, wo das Abendmahl gefeiert wird. Judas suche den Ort auf, an dem er sich von seinem besten Freund Jesus von Nazareth verabschiedete und aus dem Kreis der Jünger katapultierte. Sebastian Klein als Judas trete auf wie ein gewinnender Entertainer, suche die Nähe des Publikums und lasse dieses tief in seine Seele blicken, kündigte der "martinus" an. Es gelinge ihm, die Fragen, die ihn umtreiben, zu denen seiner Zuhörer zu machen: "Hatte er eine Wahl? War er Werkzeug oder Täter? Zählt das, was davor war, nichts?"
Der Inhalt biete reichlich Diskussionsstoff. Nach einer Vorstellung sei etwa eine Ordensfrau auf die Autorin zugekommen und habe gesagt: "Ich hätte nie gedacht, dass mir der Judas einmal so sympathisch werden könnte." Vekemans freuen solche Reaktionen. "Wenn wir etwas aufbrechen können, dann kommen wir weiter. Wenn wir diesen Prozess verstehen und mehr in uns gehen und uns fragen, was ist eigentlich meine Verantwortung für das, was in der Welt passiert, dann hat sich für mich eine wichtige Botschaft des Stückes erfüllt", erklärte die Autorin. "Wenn jemand das so empfindet, dann denke ich: toll! Denn ich finde Judas auch sympathisch, wirklich!"
Die Aufführung, von Berenice Hebenstreit ursprünglich für das Volkstheater Wien inszeniert, spricht in den Kirchenräumen Pfarrangehörige ebenso an wie Theaterfans. Start der Aufführungsserie ist am Samstag, 5. März, um 17 Uhr in der Pfarre Göttliche Barmherzigkeit in Wien-Favoriten, Kundratstrasse 5.
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Quelle: Kathpress