Grazer Weihbischof: Logik der Liebe statt Logik der Vergeltung
Wer aus dem Evangelium lebt und sich am Gebot der Feindesliebe orientiert, darf nicht der uralten Versuchung erliegen, es mit gleicher Münze heimzuzahlen. An diesen hohen Anspruch des christlichen Glaubens hat Weihbischof Johannes Freitag bei der Messe mit den Mitgliedern der Österreichischen Bischofskonferenz am Dienstagmorgen in Mariazell erinnert. Auch vor unfassbaren Ereignissen wie dem Amoklauf an einer Grazer Schule seien Gläubige herausgefordert, diesem christlichen Anspruch gerecht zu werden. Es gelte, "sich - trotz allem - den Gefühlen von Rache, Wut und Ohnmacht mit Liebe entgegenzustellen". Die Kirche müsse somit einer Welt, die oft aus einer Logik der Vergeltung denkt, "mit der Logik der Liebe" begegnen.
Der Amoklauf und die "zutiefst sinnlose Gewalt" habe alle "tief getroffen", so der Weihbischof im Blick auf die letzten Tage. "Zurück bleiben Familie, Verwandte, Freundinnen und Freunde und eine zunehmend verunsicherte Gesellschaft mit der leidvollen Frage: Warum das alles?" Vor diesem Hintergrund gelte es vielen für ihren beeindruckenden Dienst angesichts einer für alle herausfordernden Situation in Graz zu danken: Helferinnen und Helfern, Lehrerinnen und Lehrern, Politikerinnen und Politikern sowie Seelsorgerinnen und Seelsorgern. "Durch ihr Beispiel zeigten sie, wie die Logik der Liebe ganz konkret Gestalt annimmt: durch einfühlsames Handeln, stilles Dasein und echter Anteilnahme an Leid und Tod."
Liebesgebot verpflichtet Kirche
Maß dafür und für die Feindesliebe sei Gott selbst: "Weil seine Liebe nicht selektiv ist. Weil in seiner bedingungslosen Liebe - trotz allem - kein 'Feind' mehr bestehen kann", führte der Grazer Weihbischof aus und leitete daraus einen Auftrag an die Kirche ab: "Die Kirche hat die Aufgabe, die Welt daran zu erinnern, dass der Mensch nach dem Bild Gottes geschaffen ist - und dass dieses Bild Liebe ist. Wo die Kirche aus dieser Logik der Liebe lebt - selbst dann, wenn sie dafür missverstanden oder verfolgt wird -, wird sie zum Raum der Versöhnung, zu einem Ort, an dem Menschlichkeit aufblüht. Nicht durch Macht, sondern durch Barmherzigkeit. Nicht durch Kontrolle, sondern durch Vertrauen."
Die Verankerung der Kirche in einer "Logik der Liebe" habe Konsequenzen: Sie führe "zum Geben ohne Berechnung, zum Dasein für andere - auch wenn sie uns fern oder gar feindlich gegenüberstehen". Aufgabe der Kirche sei es, Gemeinschaft zu stiften, "durch einen achtsamen, wertschätzenden Blick auf alle". Von daher habe die Kirche in einer pluralen Gesellschaft keinen Platz, weil sie sich "behauptet", sondern "weil sie verwandelt - durch das Bezeugen der Liebe Gottes, die nicht aus- oder abgrenzt, sondern sich dem Menschen hingibt", so der Weihbischof, der abschließend festhielt: "Wenn wir als Kirche über Wege in die Zukunft sprechen, dürfen wir dabei die Logik Gottes nicht aus dem Blick verlieren. Es ist eine Logik bedingungsloser Liebe, die Gemeinschaft stiftet. Sogar mit dem Feind!"
Die dreitägige Sommervollversammlung der Bischöfe hat am Montag mit einem Austausch über Missbrauchsprävention und Opferschutz mit Waltraud Klasnic und Mitgliedern der Unabhängigen Opferschutzkommission begonnen. Für Dienstag ist ein Treffen mit dem Apostolischen Nuntius in Österreich, Erzbischof Pedro Lopez Quintana, geplant. Zum Abschluss der Vollversammlung feiern die österreichischen Bischöfe am Mittwoch um 11.15 Uhr einen Festgottesdienst in der Wallfahrtsbasilika Mariazell, zu dem die Gläubigen eingeladen sind. Der Grazer Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl wird der Messe vorstehen und auch predigen.
Quelle: kathpress (17.06.2025)